Interview mit Magally Tello-Grandez

Wir haben mit unserer Kaffeeproduzentin Magally Tello-Grandez über aktuelle Themen aus der Kaffeewelt und ihren persönlichen Werdegang gesprochen.

Yara: Warum beschäftigst du dich mit Kaffee? Was begeistert dich daran?

Magally: Ich hatte nicht geplant, mich mit Kaffee zu beschäftigen, obwohl meine Eltern und Großeltern bereits Kaffeebauern und ich von klein auf Erinnerungen an die Arbeit mit Kaffee habe. Während ich älter wurde, sind auch meine Großeltern gealtert und konnten der schweren Handarbeit auf dem Feld nicht mehr nachkommen. Sie haben meine Eltern daraufhin gefragt, ob sie es sich vorstellen könnten, die Finca weiterzuführen. 2013 habe ich mit meiner Mutter zusammen beschlossen, das Angebot anzunehmen. Ich wollte schon immer ein eigenes Unternehmen gründen, wusste zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, was für eins. Dies erschien mir eine Möglichkeit die Familientradition weiterzuführen. Allerdings habe ich nur unter der Bedingung angenommen, dass wir eine eigene Marke gründen. Bis dahin hatten meine Großeltern nämlich hauptsächlich an Kooperativen verkauft. Dafür mussten wir uns dann aber über Kaffee weiterbilden, da wir bis zu diesem Zeitpunkt nur Erfahrung in der Feldarbeit hatten. Während wir 2014 den Anbau erweitert haben, haben wir Kurse in Qualitätskontrolle und Sensorik besucht. Ich habe meinen Tanten, die auch Kaffeeanbau betreiben, vorgeschlagen, sich uns anzuschließen.

Y: Wie siehst du die Zukunft von Kaffee? Wird Arabica deiner Meinung nach weiter den Markt dominieren?

M: Die Lage ist aktuell sehr unsicher. Obwohl Arabica am meisten produziert und nachgefragt wird, ist die Pflanze sehr empfindlich gegenüber neuer Plagen/Schädlinge und dem Klimawandel. Robusta wird vermutlich irgendwann den Markt dominieren, da die Qualität zumindest in der Wahrnehmung womöglich niedriger ist, aber die Sorte in Tieflagen gedeiht und gegenüber Schädlingen resistenter ist.
Solange wir aber Arabica anbauen können, werden wir das auch tun.

Y: Was für Herausforderungen standet ihr während der Ernte 2022 gegenüber?

M: Ich reise normalerweise Ende März/Anfang April immer zur Finca, da ich mich auch immer wieder um das Geschäft in Lima kümmere. Dieses Jahr waren die Pflanzen zu diesem Zeitpunkt in guten Zustand und eine gute Ernte war abzusehen, als starke Regenfälle begonnen haben, wodurch viele Früchte von den Pflanzen gerissen wurden.
Bei viel Regen und Schatten entsteht erschwerend zudem Pilzbefall. Wenn der Fall eintritt, kann man kaum etwas machen. Die Produktion hat deshalb stark abgenommen.
Außerdem gibt es einen Mangel an Feldarbeitern. Viele Menschen lehnen die Handarbeit auf dem Feld mittlerweile ab und wenden sich anderen Tätigkeiten wie beispielsweise der Viehzucht zu, die weniger Arbeit bedeutet. Viele Männer wollen dann nicht mehr bei uns arbeiten, und wir brauchen Männer, da die Ernte durchgehend ein Kraftakt ist. Die Frauen dort sind zwar auch sehr an die schwere Arbeit gewöhnt, aber auf Dauer bedeutet die Feldarbeit immer körperlichen Verfall, wie z.B. durch Verletzungen an der Wirbelsäule.
Im Vergleich zu anderen Fincas haben wir auch Nachteile in Bezug auf die Erreichbarkeit. Das Gelände hier ist sehr hügelig und steinig. Schon für ein Motorrad bedeutet das eine Herausforderung. Das sind Dinge, die wir nach und nach ausbauen möchten.

Y: Hatten deine Schwestern und du durch die Tatsache, dass ihr Frauen seid, irgendeinen Nachteil in dieser Branche?

M: Ich würde sagen nein, eher im Gegenteil. Die Leute bewundern uns dafür und es erzeugt Aufmerksamkeit, da auch hier die Bevölkerung nach und nach ein Bewusstsein für die Power von Frauen entwickelt. Nur an körperlicher Kraft fehlt es uns oft vor Ort, das meiste müssen wir zu zweit machen und eben zusammenarbeiten. Wir wurden bisher aber immer unterstützt.
Wir freuen uns auch sehr über all die positiven Kommentare von euren Kunden! Das gibt uns die Energie, um uns weiter zu verbessern, was langfristig immer unser Ziel ist.

Y: Zusätzlich zur Thematik der Erreichbarkeit, was wird benötigt, um die Kaffeequalität in der Gegend noch zu verbessern?

M: Da gibt mehrere Faktoren. Zum einen mangelt es an Bildung. In meinem Fall kam es zu Bildung aus Eigeninteresse und ich hatte das Glück, das finanziell irgendwie stemmen zu können, auch weil ich es als Investition in unsere Zukunft verstanden habe. Die Farmer vor Ort sind aber eher demoralisiert, da Bildung hier teuer ist. 1500 Dollar kostet so eine ganzheitlich Kaffeeanbauausbildung. Wie soll ein einfacher Farmer das bezahlen? Daran haben sie verständlicherweise demnach kein Interesse.
Ich musste aber mit der Zeit und als unser Unternehmen gewachsen ist auch Partnerschaften eingehen. Da wir aber einen gewissen Qualitätsstandard haben, ist die Bildung unserer direkten Nachbarn für uns sehr relevant. Die Farmer müssen verstehen: Ernten um der Ernte Willen bedeutet am Ende Verluste.
Außerdem mangelt es an Infrastruktur. Die Gegend wird von der Regierung im Stich gelassen, es gibt noch immer keine gute Straße, die uns mit der nächsten Stadt verbindet. Der Weg nach Rodriguez de Mendoza bedeutet eine zwei-Stunden-Reise über Pfade und Dreckwege. Den Kaffee zu transportieren ist sehr mühsam.
Unseren Hochlandanbau sieht man von unten auf einem Berg. Dort findet man ein winziges Dorf und wunderschöne Landschaften. Der Aufstieg dahin ist extrem schwierig, das schafft nicht jeder, vor allem wenn die Sonne noch scheint. Auch der Abgang mit dem Kaffee auf Eseln und Pferden im Schlepptau ist schwer.
Hier steckt aber besonders viel Potenzial, das ist der unser bester Kaffee!
Manchmal muss der Kaffee dann auch trotz starkem Regenfall vom Berg runtergetragen werden. Schade, dass die Regierung das nicht wertschätzt und hier in Infrastruktur investiert.

Y: Was ist am Kaffee aus Amazonas besonders?

M: Der Kaffee kommt aus einer sehr schönen Gegend, die zwar nicht sehr bekannt, aber dennoch atemberaubend ist. Die hohen Anbaugebiete und die Fruchtbarkeit der Böden, 95% des Kaffees ist Bio, kaum jemand benutzt hier Pestizide. Das wird aber in der Bezahlung kaum wertgeschätzt. Hier sehen wir auch die Endverbraucher mit in der Verantwortung. Es ist so: Der Farmer muss letztendlich verkaufen, weil er davon lebt, aber bekommt seine reale Arbeit nicht bezahlt. Hoffentlich verbessert sich das. Wir brauchen mehr Interesse von Seiten der Regierung und Bildungsmöglichkeiten für die Farmer. Peru ist weltweit unter den Top Anbauländern von Biokaffee, das sollte wertgeschätzt werden.
Leider haben wir selber auch keine Biozertifizierung, als unabhängige Familie sind die dafür benötigten 2500 Dollar viel zu teuer. Ich habe so viel Arbeit, das kann ich mir nicht leisten.
Die Kooperativen haben diese Zertifizierungen schon eher, aber das ist mittlerweile eine sehr intransparent. Die Biozertifizierung wird oft einfach unter der Hand verkauft, häufig auch ohne Prüfung und wirklichen Biohintergrund.
Es mangelt von allen Seiten an Bewusstsein. Dafür, das Kaffee das zweitmeist getrunkene Getränk der Welt ist, wird Qualität kaum geschätzt. In anderen Ländern sieht das schon anders aus. In Kolumbien gibt es beispielsweise ein Gremium, das sich mit der Förderung der Kaffeequalität beschäftigt. Hier in Peru trinken die Leute alles Mögliche, kaum jemanden interessiert die Qualität.

Y: Was für Pläne habt ihr für die Zukunft der Finca Grandez?

M: Wir möchten weiterwachsen und den Kaffee aus der Region bekannter machen. Als Familie möchten wir zudem in Zukunft ein Angebot für Tourismus aufbauen. Unsere Kunden sollen den Kaffeeanbau selbst erfahren können, die Gegend kennenlernen und in Kontakt mit den anderen Farmern treten können. Nach und nach werden wir die Möglichkeiten dafür ausbauen.